"Ich plädiere für einen Community-orientierten Journalismus"

Schon als Kind habe er ein merkwürdig konkretes Interesse an Journalismus gehabt, sagt Sohiel Partoshoar. Heute ist er Beauftragter für Community Management beim Hessischen Rundfunk und findet, dass diese Arbeit auch jenseits von Social Media für den Journalismus immer wichtiger wird.

Werksgelände: Was macht man eigentlich als Beauftragter für Community Management?

Sohiel Partoshoar: Tatsächlich so gut wie nie Community Management, auch wenn ich viel Freude daran habe. Mein Kollege Tom Klein und ich befassen uns vor allem auf strategischer Ebene damit: Wie können wir einen sicheren, zivilen Diskursrahmen schaffen? Warum kippen Diskussionen immer wieder? Was lösen die Dauerkrisen unserer Zeit bei unseren Nutzer:innen aus – und wie reagieren wir mit unseren Angeboten darauf? Welche rechtliche Handhabe haben wir gegen Hassrede, Des- und Misinformation? Und warum gab es letztens wieder einen Shitstorm? Wir beraten Redaktionen und Unternehmensbereiche des hr , tauschen uns mit Jurist:innen, Wissenschaftler:innen und Medienschaffenden auch jenseits der ARD aus, geben Schulungen, organisieren Konferenzen, entwickeln (Zukunfts-)modelle und blicken aufmerksam auf die Welt.

Welche Erfahrungen oder Talente sollte man für den Job mitbringen?

Mir hilft es, dass ich mit den redaktionellen Abläufen, dessen Stärken und Schwächen vertraut bin und schon als Kind ein merkwürdig konkretes Interesse an der Journalistik hatte. Dass ich reichlich Lebenserfahrung außerhalb der Medienblase habe und abweichende Perspektiven einbringen kann, ist ein weiterer Faktor. Und ich wünsche mir eine robuste Zivilgesellschaft in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und brenne deshalb für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der seinen Ansprüchen endlich gerecht wird. Kurzum: Man muss ein bisschen anstrengend sein.

Was reizt Dich an Deinem Beruf?

Ich werde fürs Lernen bezahlt – natürlich nur, wenn ich meine Erkenntnisse dann auch teile! Dafür, dass es strategische, koordinierende Arbeit ist, arbeite ich viel mit Menschen über Hierarchieebenen hinweg. Und vor allem betreffen die Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen, längst nicht mehr „nur“ Social Media, sondern das Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt. Die Aufgabe, Diskurse zu strukturieren und zu moderieren, sehen immer mehr Beobachter:innen in Zeiten der Polykrisen, Nachrichtenmüdigkeit und fragwürdigen Entwicklungen von Social-Media-Plattformen tatsächlich bei uns. Darin sehe ich eine Chance, einen seltenen Lichtblick inmitten der sonst finsteren Zukunftsaussichten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deshalb plädiere ich in meinem Vortrag an der H-BRS für einen Community-orientierten Journalismus.

Die Aufgabe, Diskurse zu strukturieren und zu moderieren, sehen immer mehr Beobachter:innen bei uns.

- Sohiel Partoshoar

Was sind die größten Herausforderungen in Deinem Job?

Die Rückmeldungen von außen sind auffallend positiv. Unsere journalistisch-publizistischen Vorstellungen vertragen sich allerdings nicht mit einer Unternehmenskultur, die noch immer hierarchisch geprägt ist. Hier braucht es viel Kraft, Geduld und Vertrauen. Immerhin, die Richtung stimmt. Dennoch bleibt die Sorge, dass wir unsere Zukunft im entscheidenden Moment nicht in die eigene Hand nehmen, sondern andere Akteur:innen über unser Schicksal entscheiden lassen.

Was war Dein bisher größter Flop im Job, und was hast Du daraus gelernt?

Ich könnte von unzähligen Flops aus dem Redaktionsvolontariat erzählen, das ich zuvor absolviert hatte. Ich hatte mich nicht genug angepasst, stellte zu viele Fragen und war damit für Redaktionen unattraktiv. Zum Glück haben mich einige Kolleg:innen beherzt zurückgeholt und mich wieder aufgebaut. Es stimmt wirklich: Was die einen verunsichert, sehen andere als Chance.

Tipps

Sohiels Tipps für den Nachwuchs

Wer sich im öffentlich-rechtlichen System einbringen will, aber zum Beispiel einen unsteten Lebenslauf oder andere „Angriffspunkte“ hat, sollte sich auf keinen Fall verunsichern lassen. ARD, ZDF und Deutschlandradio stehen in der Pflicht, sich zumindest auf eure Standpunkte einzulassen.

Sohiel Partoshoar

… ist seit Mai 2023 Beauftragter für Community Management beim Hessischen Rundfunk (hr). Zuvor volontierte er beim hr und arbeitete anschließend als Musikredakteur für das hr-Hörfunkprogramm YOU FM.

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